Caroline von Scheidlein-Wenrich
Ein besonderer Moment bei der Ahnenforschung ist es, wenn aus dem Nebel der Geschichte Frauen auftauchen, die in ihren Tagen zu wenig Beachtung gefunden haben – wie in diesem Fall Caroline Edle von Scheidlein-Wenrich. Das „Lexikon deutscher Frauen der Feder“ aus dem 1898 hat Caroline einen Artikel gewidmet, in dem ihre schriftstellerischen Leistungen gewürdigt werden.
Caroline Edle von Scheidlein-Wenrich wurde am 10. Juli 1824 zu Herrmannstadt in Siebenbürgen als Tochter des dortigen Gymnasial-Rektors und späteren Professors der orientalischen Sprachen an der evangelisch-theologischen Fakultät und Mitgliedes der k. k. Akademie der Wissenschaften in Wien, Johann Georg Wenrich, geboren. Sie vermählte sich mit dem k. k. Universitätsbeamten Ernst Edlen von Scheidlein.
Ihre schriftstellerische Thätigkeit fand reiche Anerkennung. Seine Majestät der Kaiser von Österreich zeichnete sie durch Verleihung der goldenen Medaille mit dem allerhöchsten Wahlspruche für Kunst und Wissenschaft aus, die italienische Dante-Akademie ernannte sie zum Mitgliede und übersandte ihr die mit dem Bildnisse Dantes gezierte Medaille. Zahlreiche Novellen und Erzählungen aus ihrer Feder erschienen in hervorragenden Journalen, ihre formschönen Gedichte in zahlreichen Anthologieen. Caroline Edle von Scheidlein-Wenrich ist im September 1887 in Purkersdorf bei Wien gestorben.
Aus: Pataky, Sophie: Lexikon deutscher Frauen der Feder. 2. Band: M-Z. Berlin, 1898.
‒ Aus dem Irrenhause. 13 Erzählgn. merkwürd. Irrsinnsfälle. 8. (248) Wien 1891. A. Bauer.
‒ Dasselbe. Auch in 8 Lfgn. à –.60. Neue Ausg. Ebda. 1893. komplet 4.80
Caroline von Scheidlein-Wenrich
Ich möcht‘ als Tanne …
Ich möcht‘ als Tanne hoch und schlank
Im dunkeln Walde stehen:
Wie ließ‘ ich mich von Sang und Klang,
Von freier Luft umwehen!
Wie wollte ich den Schwestern mein
Manch‘ traulich Wörtchen flüstern;
Denn nirgends plauderts sich so fein,
Als in des Zwielicht’s Düstern.
Des Waldes Sänger, klein und zart,
Die hätte ich zu Gästen:
Sie wiegten sich, vor Sturm bewahrt,
In meinen sichern Ästen.
Es sollt‘ im Sturm mein schlanker Leib
Nur desto stolzer ragen:
Hab‘ ich doch als ein schwaches Weib
So manchen Sturm ertragen!
Und käm‘ am Sommertage schwül,
Mein Freund des Wegs gegangen,
So würde labend, still und kühl
Mein Schatten ihn umfangen.
Er müßte seinen Namenszug
Mir eingegraben lesen;
Wie ich ihn treu im Herzen trug,
Als ich noch Weib gewesen.
Und ging zur letzten Ruh‘ er ein,
So wär‘ es mein Verlangen,
In Grabesnacht als Totenschrein
Ihn liebend zu umfangen!
Erschienen in: „Unsere Frauen in einer Auswahl aus ihren Dichtungen: Poesie-Album zeitgenössischer Dichterinnen. Mitgabe für Frauen und Töchter gebildeter Stände“ von Karl Schrattenthal, Stuttgart Druck und Verlag von Greiner & Pfeiffer 1888, (197 Dichterinnen)